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Buchtipps von CHIRONDO

Willst Du schnell sein, gehe langsam….

…sagt ein chinesisches Sprichwort. Wenn das stimmt – müsste es (bei logischer Weiterführung) heißen: Halte an – und Du bist da. Und ich halte. Seit geschlagen 70 Minuten halte ich mitten im Stau.

Und nein – der Weg ist nicht das Ziel. Mitten auf der A9 Richtung Meer ist eben NICHT der Strand und NICHT das Meer. Es ist die A9 und nicht mehr. Stehen nervt. Wenn es wenigstens eine Abfahrt geben würde.

Damit ich dieses subjektive Erleben hätte „Ja, ich fahre. Ich habe es selbst in der Hand. Ich bin Gestalter und Macher. Ich fahre und wo ich fahre ist vorn.“ Aber nein, ich bin Opfer, Stau-Opfer. Hilflos, weil zum Abwarten verbannt.

Kreativität und Langsamkeit

Eigentlich viel Sprit sparender. Ich denke daran, wie viele sinnlose Kilometer ich bei dem Versuch, den Stau zu umgehen, verfahren hätte. Wie viele ruhige Dorfidyllen ich mit meinem knatternden Diesel aufgeschreckt und mit meinem Drang nach „Selbstbestimmter Gestaltung“ genervt hätte. Stattdessen stehe ich hier und schreibe, den Mac auf den Knien, diese Gedanken auf.

Kreativität aufgrund von Langsamkeit. Es gibt ein Buch dazu (natürlich). Es heißt auch fast so. Kreativität der Langsamkeit von Fritz Reheis. Darin beschreibt der Autor diese Situation fast genauso, nur ohne Auto, ohne A9 und ohne Stau. Aber sonst – identisch.

Eigenzeit und Systemzeit nach Fritz Reheis

Er beschreibt, in wie vielen kleinen Prozessen wir dem vermeintlichen Drang „schnell sein zu müssen“, erliegen. Und wie uns dieser Drang daran hindert, auf unsere eigenen Bedürfnisse zu hören. Ein wenig wie bei einem Orchester. Am Anfang stimmt sich jeder für sich ein. Die Geschwindigkeit und der Takt sind verschieden. Alles zusammen hört sich schief an. Erst, wenn ein gemeinsamer Rhythmus gefunden ist, dann klingt es harmonisch. Dann ist es Melodie und Klang und Raum zugleich. Reheis beschreibt diese zwei Prozesses (das Einspielen) als eine Eigenzeit, die jeder hat und einen Systemzeit (das gegenseitige abstimmen), die ein System braucht, um die Zeiten zu harmonisieren.

Dabei beschreibt er eindrucksvoll, wie stark diese Rhythmen uns prägen. Jedes System braucht folglich Zeit, um sich auf Veränderungen einzustellen. Das ist quasi der Moment, den die Augen brauchen, wenn Sie in einen dunklen Raum treten, um sich an die Dunkelhit zu gewöhnen. Kommen jetzt zu viele Impulse hintereinander (hell, dunkel, hell, dunkel) dann sehen Sie gar nichts mehr.

Neurobiologische Reaktionen

Am Beispiel der Gerüche wird es besonders deutlich. Unser Gehirn und unser Organismus hatten Jahrmillionen Zeit, sich an die Gerüche unserer Welt zu gewöhnen. Und jedes Mal, wenn die Evolution einen neuen Geruch hat entstehen lassen, hatten die Menschen Jahrhunderte, ja Jahrtausende Zeit, diesen Geruch in ihre eigenen Prozesse zu integrieren. Diese Integrationszeit ist die Systemzeit.

So haben sich seit den 40tausend Jahren Evolution ca. 50.000 natürliche Gerüche gebildet. In den letzten 60 Jahren chemischer Industrie sind ca. 700.000 dazu gekommen. Das ist für unsere Nase so, als stünden wir mit offenen Augen vor so einem grell flackernden Diskolicht. Natürlich sehen wir weg – nur unsere Nase kann nicht wegsehen. Sie reagiert mit Anschwellen und (weg) laufen. Das nennt sich dann – richtig: Allergie. Weil wir unserem Organismus nicht die dringend benötigte Zeit geben, sich an die vielen Gerüche zu gewöhnen, kämpft er. Gegen uns und gegen sich selbst.

Der Kampf mit der Zeit

Diesen Kampf gegen sich selbst erleben wir auch in den Trainings von CHIRONDO immer wieder. Die Teilnehmer glauben, für die Führübungen am Pferd keine Zeit zu haben. Sie orientieren sich an vermeintlichen Richtwerten oder Vergleichsgruppen, um etwas über sich selbst zu erfahren. Und nur in kleinen Schritten gelingt es uns, den handelnden Personen zu vermitteln, dass jeder SEINE Zeit bei Veränderungen braucht und dass es gut und richtig so ist.

Und diese Prozesse, sie gibt es im Kleinen wie im Großen. Wenn in einem Dorf in Mecklenburg mit 100 Bewohnern und einem Durchschnittsalter von 70+, dass gefühlt irgendwie immer so 200 Jahre zurückhängt und noch nicht mal DSL hat, plötzlich 80 Personen mit deutlich sichtbarem Migrationshintergrund einquartiert werden, dann ist das eine erhebliche Einflussnahme auf ein bisher sehr in sich geschlossenen System. Und wenn die Menschen dort dann verunsichert sind, ist das genau sowenig nationale Identität wie Fremdenhass. Es ist Angst und Unsicherheit. Und es bedarf Zeit sich aneinander zu gewöhnen. Zeit und eine Menge guter Gelegenheiten.

Beispiele zur Reflektion

Der Autor Fritz Reiheis beschreibt sehr nachdrücklich, wo uns überall diese oft unberücksichtigten Störungen in den Systemen begegnen. Und er beschreibt, um wie viel wir besser fahren würden, wenn wir uns die Zeit gäben, mit den Veränderungen umzugehen.

Von wegen fahren. Ich stehe hier immer noch. Aber es scheint für mich besser zu werden. Ich wollte ans Meer um mich zu erholen. Jetzt stehe ich in einem Automeer – aber ebenfalls ruhig, fahre nicht und habe endlich etwas Zeit. Zeit um Musik zu hören und mit den Menschen zu telefonieren, die ich dann nachher, später, aber auf jeden Fall noch treffen werde. Und diese Menschen werden mir sagen: „Ist egal wann Du kommst, lass dir Zeit. Hauptsache entspannt, es ist doch Urlaub!“

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    Über Doreen Beier

    Die Menschen- und Pferdekennerin coacht mit ihren Pferden Führungskräfte aus ganz Deutschland. Ihr Buch „Überholen mit 1 PS – Wie Manager von Pferden lernen“ erzählt amüsant und selbstkritisch zugleich die Geschichte von CHIRONDO, erläutert psychologisches Basiswissen und liefert detaillierte Beschreibungen der Trainingsmethoden. Als Blog-Autor schreibt sie zu Führungsthemen, gibt Einblicke in die CHIRONDO Welt und stellt ihre Vision des modernen Führungskräfte-Trainings vor.
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    Autor: Doreen Beier am 3. Apr 2015 19:04, Rubrik: Buchtipps von CHIRONDO, Literatur / Buchtipps, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentare geschlossen.

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